Die goldene Stadt...
Prag ist inzwischen neues Beispiel für die Wirkung der westlichen Kultur, des Neoliberalismus. Ist das „Kultur“? Lassen wir Definitionsfragen außen vor.
Wenn ich damals durch Prag gelaufen bin, sagen wir, vor fünf Jahren, sah ich, wie die goldene, altehrwürdige Stadt langsam aus einem Dornröschenschlaf eines real existierenden Sozialismus zu erwachen begann. Touristisch und wirtschaftlich gesehen. Inzwischen vibriert die Stadt unter den Fußtritten der Touristen, welche die Fassaden der Geschichte Millionen male abgelichtet haben. Die Karlsbrücke bei Tag zu begehen ist reine Anstrengung. Ebenso die engen Gäßchen, die zu der Brücke führen. Dort, wo früher Handwerker lebten und arbeiteten steht heute jeder Plunder, angereiht zum Konsum für tumbe Touristen. Matroschkas mit Politiker- oder Fußballergesichtern. Altehrwürdig ist das nicht. Diese Stadt, zumindest der seit Jahrhunderten bestehende Kern, der diese gewisse Ehrwürdigkeit ausmacht, kann sich nicht wehren, sondern fällt der unternehmerischen Ausbeutung zum Opfer, welche die erinnernde Fassade gerade für ihre Zwecke ausnutzt.
Eine Gasse jedoch, deren historischer Wert nicht von Kleinhändlern unterminiert wird, wurde bei der Anwesenheit des Autors gerade von einer Gruppe Amerikaner belagert. Die standen am Eingangstor, vor zwei Kartenabreißern. An diesem Tag lag der Eintrittspreis für das goldene Gässchen bei 50 tschechischen Kronen. Ein für uns ungewohnter Anblick in Prag. Die EU-Erweiterung scheint den Amerikanern endlich die Sicherheit zu geben, dass der unkultivierte Bolschewismus sich langsam in den hinterletzten Winkel des Urals verzogen haben muß. Platz für die Ehrwürde!
Ein anderer, Ort in der Stadt mit junger Geschichte, über den sich in Hinsicht auf Ehrwürde streiten läßt: Der Wenzelsplatz. Insbesondere bei Nacht, wenn sich an beiden Seiten des Wenzelsplatzes, Nightclubs und Casinos aufreihen und bulgarische Mädchen nun auf Freier warten, sieht man nur den progressiven Westen. Die Mädchen sprechen uns an: "Want to come with us? Hotel? Everything, 1500!" "You two together?" Sie schauen sich an und die größere ergreift das Wort. "1500 each...", und schnell fügt die Kleinere hinzu: "only 600 for a blow job!" Dann kam irgendwann die Frage nach ihrer Herkunft. Alter? "Twenty" Sicher kaum.
Haben die Prager Studenten im August 1968 hier für diese Freiheit gekämpft? Die Gedenktafeln, eingehüllt in Bauplane, waren selbst am Tage nicht erkennbar. Ein Ort, an welchem drei junge Männer umringt von sowjetischen Panzern sterben mußten. Dafür, daß Prag, ihr Vaterland und jeder ihrer Landsleute sich ebenso prostituiert wie diese zwei jungen Bulgarinnen?
Vielleicht scheint sich die Stadt aber auch nie verändert zu haben: Man sollte sie wohl doch von beiden Seiten anzünden, wie Kafka einst meinte.
www.sinneinheiten.de
Wenn ich damals durch Prag gelaufen bin, sagen wir, vor fünf Jahren, sah ich, wie die goldene, altehrwürdige Stadt langsam aus einem Dornröschenschlaf eines real existierenden Sozialismus zu erwachen begann. Touristisch und wirtschaftlich gesehen. Inzwischen vibriert die Stadt unter den Fußtritten der Touristen, welche die Fassaden der Geschichte Millionen male abgelichtet haben. Die Karlsbrücke bei Tag zu begehen ist reine Anstrengung. Ebenso die engen Gäßchen, die zu der Brücke führen. Dort, wo früher Handwerker lebten und arbeiteten steht heute jeder Plunder, angereiht zum Konsum für tumbe Touristen. Matroschkas mit Politiker- oder Fußballergesichtern. Altehrwürdig ist das nicht. Diese Stadt, zumindest der seit Jahrhunderten bestehende Kern, der diese gewisse Ehrwürdigkeit ausmacht, kann sich nicht wehren, sondern fällt der unternehmerischen Ausbeutung zum Opfer, welche die erinnernde Fassade gerade für ihre Zwecke ausnutzt.
Eine Gasse jedoch, deren historischer Wert nicht von Kleinhändlern unterminiert wird, wurde bei der Anwesenheit des Autors gerade von einer Gruppe Amerikaner belagert. Die standen am Eingangstor, vor zwei Kartenabreißern. An diesem Tag lag der Eintrittspreis für das goldene Gässchen bei 50 tschechischen Kronen. Ein für uns ungewohnter Anblick in Prag. Die EU-Erweiterung scheint den Amerikanern endlich die Sicherheit zu geben, dass der unkultivierte Bolschewismus sich langsam in den hinterletzten Winkel des Urals verzogen haben muß. Platz für die Ehrwürde!
Ein anderer, Ort in der Stadt mit junger Geschichte, über den sich in Hinsicht auf Ehrwürde streiten läßt: Der Wenzelsplatz. Insbesondere bei Nacht, wenn sich an beiden Seiten des Wenzelsplatzes, Nightclubs und Casinos aufreihen und bulgarische Mädchen nun auf Freier warten, sieht man nur den progressiven Westen. Die Mädchen sprechen uns an: "Want to come with us? Hotel? Everything, 1500!" "You two together?" Sie schauen sich an und die größere ergreift das Wort. "1500 each...", und schnell fügt die Kleinere hinzu: "only 600 for a blow job!" Dann kam irgendwann die Frage nach ihrer Herkunft. Alter? "Twenty" Sicher kaum.
Haben die Prager Studenten im August 1968 hier für diese Freiheit gekämpft? Die Gedenktafeln, eingehüllt in Bauplane, waren selbst am Tage nicht erkennbar. Ein Ort, an welchem drei junge Männer umringt von sowjetischen Panzern sterben mußten. Dafür, daß Prag, ihr Vaterland und jeder ihrer Landsleute sich ebenso prostituiert wie diese zwei jungen Bulgarinnen?
Vielleicht scheint sich die Stadt aber auch nie verändert zu haben: Man sollte sie wohl doch von beiden Seiten anzünden, wie Kafka einst meinte.
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EcceHomo - 28. Sep, 23:00