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"...ein Mann ist immer ein Geschichtenerzähler, er lebt, umgeben von den Geschichten seiner und den Geschichten anderer, durch sie hindurch sieht er alles, was ihm zustößt. Und er versucht, sein leben so zu leben, als ob er es erzählte." -- J.P.Sartre
Eine allgemeine Lähmung hat mich erfaßt. Es geht mir zu gut. Äußerlich. Heute morgen hatte ich mir gewünscht, ich würde querschnittsgelähmt in einem Krankenhausbett liegen. Ich hasse Krankenhäuser, aber der Umstand, daß ich nicht mehr für mein Leben verantwortlich bin, wenn ich als gelähmter Pflegefall in einem Bett liege, hatte eine gewisse Anziehung für mich. Ich war müde und doch konnte ich nicht mehr einschlafen. Der Morgen war grau und der Mittag ist es noch immer. Dieses Grau drang schon in mich ein als ich noch schlief. Draußen strecken sich grau-schwarze Wurzeln hoch in einen blassen Himmel. Müde bin ich noch immer.
Sandra, meine Nachbarin, kam gestern zu mir. Sie fragt nicht, sie kommt einfach in meine Wohnung. Ich akzeptiere ihre Art. Sie ist 23 und es ist ihre Art, unmittelbar und direkt auf die Menschen zuzugehen. Es ist eine willkommene Abwechslung zu den Individuuen, die eigentlich gar keine mehr sind. Zum dritten Mal mußte ich ihr neues Piercing am Hals festschrauben. Meine Finger waren nicht dünn genug. Es endete dabei, daß sie sich auf meine Couch legen mußte, damit ich endlich diese kleine Kugel auf das Gewinde schrauben konnte, daß kurz unter ihrem Kehlkopf aus der Haut ragte. Sie ist hübsch, doch ich weiß nicht, was sie von mir will. Als ich damals zum ersten Mal in ihre Wohnung kam, lernte ich Danilo kennen. Er nahm mich knurrend zur Kenntnis. Sonst ist er auf Montage. In den folgenden Wochen sah ich ihn nicht mehr - stattdessen klingelte Sandra an meiner Tür: sie stellte mir irgendwelche Kerle vor, die mich lächelnd begrüßten. Wir sagten Hallo und sie gingen, ohne weiteren Chit-chat eine Treppe weiter nach oben. Ich wunderte mich, als ich die Tür schloß. Waren es die Trophäen, die sie mir zeigte? Oder war es eine Taktik, mich an ihr interessiert zu machen?
Ich erinnerte mich, ein gutes Jahr vorher, als ich Karin kennenlernte in einem Backpacker in Neuseeland. Mit jungen 19 Jahren war sie, kurz nach dem Abitur, auf Reisen gegangen. Sie suchte. Was auch immer. Ich war neu angekommen und sie suchte das Gespräch mit mir. Es ging um Robert. Er war älter als ich und schon einige Wochen länger an diesem Ort. Sie erzählte mir, wie sie gerade ein Video schaute und er vor ihrem Sessel kniete. Er sah sie lange an, was sie durch das gespannte Flimmern des Fernsehers zu ignorieren versuchte. Sie war irritiert. Als der Film zuende war, kam er auf sie zu und erklärte ihr, daß sie wunderschön sei und er sie küssen müsse. Sie wurde rot. Ein verlegenes Lachen. "Nee, laß mal." Karin erklärte mir die Szene so, als sei er ein Idiot. "Was stellt der sich vor? Der kann doch nicht einfach... Und außerdem ist der viel zu alt." Er war elf Jahr älter. Sie erklärte mir, wie widerlich sie das fand, machte ihn lächerlich. Sie vertraute sich mir an - aber nur oberflächlich. Robert war Dreh- und Angelpunkt dieses Gesprächs und doch nur ein Mittel, um mit mir Konversation zu führen. Zu viel Tiefe hätte ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns entstehen lassen, daß, instinktiv, den sexuellen Akt in weite Ferne rückt. Ich war mir bewußt, daß es nicht um diesen Robert ging. Aber es war mir nicht recht, daß ich nun in die Lage Karins versetzt wurde, indem sie mir durch diese Gespräche erklärte, daß sie mich wolle. Deshalb ging ich meinerseits in die Tiefe. Damit erklärte ich ihrem Instinkt das freundschaftliche Verhältnis zwischen uns, wobei ich Roberts Psyche analysierte. Robert, Robert, Robert. Nicht: ich und sie. Sie verstand. Kurze Zeit später waren Robert und Karin ein Paar.
Auf der gleichen Ebene rede ich mit Sandra. Ich gehe ihr aus dem Weg oder rede von Belanglosigkeiten. Sie verblüfft mich mit ihrer Einfachheit in allen Dingen. Ebenso einfach kommt und geht sie. Manchmal male ich mir aus, wie die Dinge sich verändern würden, wenn wir miteinander geschlafen hätten. Es wäre unerträglich. Keine Fluchtmöglichkeit, wenn sie jeden Tag an meiner Tür vorübergeht. Mit Sicherheit würde sie nicht die Traurige spielen, wenn ich auf Einmaligkeit des "Ereignisses" bestünde. Sie würde es ignorieren und Gespräche mit mir anzetteln, welche von Schnippischkeit und Gekränktheit bestimmt wären. Nein, sie würde in jedem Fall alles vermeiden, was sie als schwach dastehen lassen würde, wenn ich mich weigerte, weiterhin mit ihr zu verkehren. Sie ist eine von den Frauen, die nur Gekränktheit empfinden, keine Tiefe, die Verständnis befördert. Es wäre die Hölle.
Diese Vorstellungen sind Ersatz für die Abenteuer, die nur noch Erinnerungen sind und als "goldene Spitzen" aus dem trägen Zeitfluß des Vergangenen herausragen.
Eine allgemeine Lähmung hat mich erfaßt. Es geht mir zu gut. Äußerlich. Heute morgen hatte ich mir gewünscht, ich würde querschnittsgelähmt in einem Krankenhausbett liegen. Ich hasse Krankenhäuser, aber der Umstand, daß ich nicht mehr für mein Leben verantwortlich bin, wenn ich als gelähmter Pflegefall in einem Bett liege, hatte eine gewisse Anziehung für mich. Ich war müde und doch konnte ich nicht mehr einschlafen. Der Morgen war grau und der Mittag ist es noch immer. Dieses Grau drang schon in mich ein als ich noch schlief. Draußen strecken sich grau-schwarze Wurzeln hoch in einen blassen Himmel. Müde bin ich noch immer.
Sandra, meine Nachbarin, kam gestern zu mir. Sie fragt nicht, sie kommt einfach in meine Wohnung. Ich akzeptiere ihre Art. Sie ist 23 und es ist ihre Art, unmittelbar und direkt auf die Menschen zuzugehen. Es ist eine willkommene Abwechslung zu den Individuuen, die eigentlich gar keine mehr sind. Zum dritten Mal mußte ich ihr neues Piercing am Hals festschrauben. Meine Finger waren nicht dünn genug. Es endete dabei, daß sie sich auf meine Couch legen mußte, damit ich endlich diese kleine Kugel auf das Gewinde schrauben konnte, daß kurz unter ihrem Kehlkopf aus der Haut ragte. Sie ist hübsch, doch ich weiß nicht, was sie von mir will. Als ich damals zum ersten Mal in ihre Wohnung kam, lernte ich Danilo kennen. Er nahm mich knurrend zur Kenntnis. Sonst ist er auf Montage. In den folgenden Wochen sah ich ihn nicht mehr - stattdessen klingelte Sandra an meiner Tür: sie stellte mir irgendwelche Kerle vor, die mich lächelnd begrüßten. Wir sagten Hallo und sie gingen, ohne weiteren Chit-chat eine Treppe weiter nach oben. Ich wunderte mich, als ich die Tür schloß. Waren es die Trophäen, die sie mir zeigte? Oder war es eine Taktik, mich an ihr interessiert zu machen?
Ich erinnerte mich, ein gutes Jahr vorher, als ich Karin kennenlernte in einem Backpacker in Neuseeland. Mit jungen 19 Jahren war sie, kurz nach dem Abitur, auf Reisen gegangen. Sie suchte. Was auch immer. Ich war neu angekommen und sie suchte das Gespräch mit mir. Es ging um Robert. Er war älter als ich und schon einige Wochen länger an diesem Ort. Sie erzählte mir, wie sie gerade ein Video schaute und er vor ihrem Sessel kniete. Er sah sie lange an, was sie durch das gespannte Flimmern des Fernsehers zu ignorieren versuchte. Sie war irritiert. Als der Film zuende war, kam er auf sie zu und erklärte ihr, daß sie wunderschön sei und er sie küssen müsse. Sie wurde rot. Ein verlegenes Lachen. "Nee, laß mal." Karin erklärte mir die Szene so, als sei er ein Idiot. "Was stellt der sich vor? Der kann doch nicht einfach... Und außerdem ist der viel zu alt." Er war elf Jahr älter. Sie erklärte mir, wie widerlich sie das fand, machte ihn lächerlich. Sie vertraute sich mir an - aber nur oberflächlich. Robert war Dreh- und Angelpunkt dieses Gesprächs und doch nur ein Mittel, um mit mir Konversation zu führen. Zu viel Tiefe hätte ein freundschaftliches Verhältnis zwischen uns entstehen lassen, daß, instinktiv, den sexuellen Akt in weite Ferne rückt. Ich war mir bewußt, daß es nicht um diesen Robert ging. Aber es war mir nicht recht, daß ich nun in die Lage Karins versetzt wurde, indem sie mir durch diese Gespräche erklärte, daß sie mich wolle. Deshalb ging ich meinerseits in die Tiefe. Damit erklärte ich ihrem Instinkt das freundschaftliche Verhältnis zwischen uns, wobei ich Roberts Psyche analysierte. Robert, Robert, Robert. Nicht: ich und sie. Sie verstand. Kurze Zeit später waren Robert und Karin ein Paar.
Auf der gleichen Ebene rede ich mit Sandra. Ich gehe ihr aus dem Weg oder rede von Belanglosigkeiten. Sie verblüfft mich mit ihrer Einfachheit in allen Dingen. Ebenso einfach kommt und geht sie. Manchmal male ich mir aus, wie die Dinge sich verändern würden, wenn wir miteinander geschlafen hätten. Es wäre unerträglich. Keine Fluchtmöglichkeit, wenn sie jeden Tag an meiner Tür vorübergeht. Mit Sicherheit würde sie nicht die Traurige spielen, wenn ich auf Einmaligkeit des "Ereignisses" bestünde. Sie würde es ignorieren und Gespräche mit mir anzetteln, welche von Schnippischkeit und Gekränktheit bestimmt wären. Nein, sie würde in jedem Fall alles vermeiden, was sie als schwach dastehen lassen würde, wenn ich mich weigerte, weiterhin mit ihr zu verkehren. Sie ist eine von den Frauen, die nur Gekränktheit empfinden, keine Tiefe, die Verständnis befördert. Es wäre die Hölle.
Diese Vorstellungen sind Ersatz für die Abenteuer, die nur noch Erinnerungen sind und als "goldene Spitzen" aus dem trägen Zeitfluß des Vergangenen herausragen.
EcceHomo - 3. Dez, 11:37