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Mittwoch, 17. November 2004

Im Begriff, zu sterben

Die Zeit, zu welcher ich Hermann Hesse "liebte" hat schon vor längerer Zeit ein langsames Ende erfahren. Jeder kleine Rest an Idealismus, der sich in meinem Herz festklammerte, ist langsam entschwunden. Nun darf ich mich wahrlich Existenzialist nennen. Hesse ist lediglich ein begabter Gedankenmaler, einer, der auf die Glückseligkeit vergangener Tage zurückblickt, in die Zukunft, auf das schwarze Grab weist und die graue Gegenwart einfach nicht beachtet.
Hesse hat nicht mehr gelebt, als er schrieb. Alles, was schrieb war seine Seele, die nur noch aus Erinnerung bestand. Leid war alles, was sie motivierte.
Menschen, die leiden, lesen gerne Hesse. Er scheint zu verstehen, verbündet zu sein. Ja, er verstand: Doch er schwätzte nur. Er malte nur. Er schaffte nichts.

Warum sterbe ich?
Weil ich erkenne, daß ich eine Stufe weitergegangen bin. Herauf, herab - was zählt das schon. Ich bewege mich. Allein diese Feststellung aus der Relation zum Bisherigen führt mir mein Sterben vor Augen.

"Ich lebte in einer Art Nebel, der das Lachen so sehr dämpfte, daß ich es schließlich überhaupt nicht mehr vernahm. Die Gleichgültigkeit, die bereits einen so großen Raum in mir einnahm, stieß auf keinen Widerstand mehr und breitete ihre Verknöcherung aus. Keine Gemütsbewegung mehr! Eine gleichmäßige Seelenverfassung, oder vielmehr überhaupt keine. Eine erkrankte Lunge heilt, indem sie austrocknet, und dann bringt sie ihrem glücklichen Besitzer allmählich den Erstickungstod. So erging es auch mir, der ich friedlich an meiner Genesung starb."

- Albert Camus
EcceHomo - 17. Nov, 21:04
9 Kommentare - Kommentar verfassen
Morgenlandfahrer - 18. Nov, 09:41

Ja ich kenne dieses Gefühl. Ich habe es auch oft, aber dann sind da auch die anderen Momente. Aber davon soll jetzt erst einmal nicht die Rede sein. Solange ich denken kann (und im Rückblick wird es mir noch deutlicher) habe ich diese Welt nicht gemocht. Sie gab mir das Gefühl, daß die Dinge die ich empfinde falsch seien. Schon früh begann ich mich zu wehren, die Eltern hatten Angst, damals, um den kleinen M, er kam nicht mehr in der Schule mit. Sie liessen ihn testen und siehe da eigentlich dürfte er gar keine Probleme haben in der Schule und im Leben, er ist eigentlich intelligent genug um alles zu schaffen was er schaffen will. Ja so ist es , aber jetzt kommt es, ich müßte nur wollen (bekanntes Gefühl, oder?). Ach zurück zu meinen Empfindungen, ich hasse diese Welt, die mir wie ein großes Hamsterrad erscheint, ich hasse die Menschen, die lieblos und ängstlich nebeneinander herleben und ich glaube manchmal, daß genau deswegen die Menschen auch Angst vor mir haben, wenn ich mich so äußere. Ich habe oft experimentiert bin extrovertiert auf Menschen zugegeangen, habe versucht ich selber zu sein, habe versucht ihnen ähnlich zu sein, war introvertiert usw. usf. bis zum Abwinken. Es hat alles nichts gebracht. Ich bin alleine, alleine mit mir und alleine mit meinen Gefühlen. Niemand wird mir das geben was ich möchte, niemand außer ich selber und das ist meine wichtigste Erkenntnis, ich muß lernen mir das zu geben was ich brauche, hier fängt das Leben an und hört die Leere auf (zumindest für mich) und das macht mir Mut. Ich bin immer mehr ich selber, offenbare mich und wenn es jemandem nicht passt, dann eben nicht, ich bin nicht auf ihn angewiesen . . .

EcceHomo - 18. Nov, 16:50

Diese verschiedenen Versuche und Annäherungen an Menschen, die Du beschreibst, sind wichtig für die Beobachtung des Seins außerhalb von Dir. Ich habe Günter Grass' "Blechtrommel" damals nicht gerne gelesen, bis ich irgendwann verstand, was er damit sagen wollte: Oskar Matzerat, ein Zuschauer auf der Bühne des Theaters Leben.
Jede Erfahrung ist gut. Jede Erfahrung beweist, daß ich lebe.
ML, damals habe ich gedacht, es gibt nur Verbündete in der Vergangenheit. Tote Dichter. Die Introvertiertheit und der Idealismus dieser Zeit war naiv genug, nicht nach außen zu gehen. Aber ich habe erfahren, daß heute noch Menschen existieren, die auch einen Schritt weiter gemacht haben, als lediglich über ihr Leid zu reflektieren (dieses blog ist nicht das beste Beispiel, denn es ist populär).

Zumeist aber ist da die Frage nach einem Ziel: Wozu bewegen? Wozu irgendetwas tun, da die Welt (die gesellschaftliche) doch nur ein Spiel von Launen ist und das NonPlusUltra eben Ideal, nicht real, ist!? Hamsterrad, genau. Manchmal erstaune ich aber darüber, daß einige Menschen mit diesem Bewußtsein leben und dennoch ihr Stück in diesem Theater spielen. Nach außen scheinen sie integriert, aber ihr Geist ist noch frei. Mein letzter Zivilrichter zum Beispiel.
Was mich juckt ist: NIEMAND ändert etwas. Aber was ändern, wozu? (Ausgangsfrage) Nur pure Idealisten haben Denkmale gesetzt bekommen. Nehmen wir, ganz aktuell, Che Guevara: Idealist. Fixe Ideen, klare Ziele.

Was aber tun Existenzialisten, Realisten, Nihilisten?

Ich verstehe diese Sache mit der Angst der Anderen, wenn Du Dich gelegentlich äußerst. Meine Mutter schaute mich irgendwann traurig und stolz zugleich an und sagte: "Manchmal habe ich mich gefragt, was ich bei Dir falsch gemacht habe." Sie ahnt immerhin, daß ich andere Dinge will als Andere und (dadurch) anders bin. Bin ich das wirklich?
Und dann die Sache mit der Schule: Da haben wir etwas gemeinsam. Nur mit dem großen Unterschied, daß ich im Osten aufgewachsen bin. Aber dieses Thema soll hier außen vor bleiben.
Morgenlandfahrer - 18. Nov, 19:58

"Ihr Geist ist noch frei"
Dieser Satz brennt mir auf der Seele...
Ihr Geist ist noch frei, glaubst Du das wirklich? Es ist natürlich schwierig, ich kenne diese Person gar nicht, ich habe keinen Eindruck von ihr bekommen können. Vielleicht messe ich das alles nur mit meinen Erfahrungen, ich kann nicht mit diesem System leben, ich kann mich ihm nicht unterordnen, es macht mich unfrei, es belügt und betrügt mich jeden Tag und jede Minute in der ich Kontakt zu ihm habe, ich habe das Gefühl es will, daß ich gefügig bin, ich soll mich anpassen, alles was es erwartet ist meinen Gier nach Konsum, meinen Willen zur Macht, damit es mich korrumpieren kann. Es fordert von mir Loyalität und Treue ich weiß aber, daß wenn ich meinen Zweck erfüllt habe es mich fallen läßt, es will mir Sicherheit suggerieren, wo es mir keine Sicherheiten geben kann, ich soll immer lieb und freundlich und zuvorkommend sein, aber im gleichen Moment meinen Konkurrenten ausschalten, einen Kunden abzocken indem ich ihm Lügen über die Leistungsfähigkeit eines Produktes erzähle oder ihm weismache er bräuche gerade dieses. Nein, nein, nein das brauche ich alles nicht mehr. Was kommt jetzt, das ist die große Frage die mich beschäftigt...
EcceHomo - 19. Nov, 14:22

es kommt...

...immer was Neues, doch mit alten Strukturen. Der Fortschritt dieses heutigen Systems ist lediglich die Befreiung von ideologischen Denkweisen. Aber: Nie zuvor hat der Mensch sich in seine eigene Versklavung so bereitwillig hingegeben.
Konsumenten und Produzenten hat dieses System gebraucht und benutzt. Keine Menschen. Produzenten aber werden kaum noch gebraucht - das machen Maschinen, Polen oder Chinesen. Und da gibt es auch bald keine Konsumenten mehr...
Das System ist ebensowenig beständig, wie all die andern.

"Wille zur Macht" aber ist unveränderlich. Vielleicht DER große Motor für Umwälzungen.
Die Intellektuellen haben zu jeder Zeit, an jedem Ort, die gegenwärtigen Umstände kritisert und persönlich nie in Zufriedenheit leben können. Sie sind und waren das "schlechte Gewissen" (F.N.) ihrer Zeit.
Titania Carthaga - 18. Nov, 20:40

Riß

Hier habt ihr einen Mann
wie jeden

Hier habt ihr eine Seele
die verödet ist
einen gleichgültigen Spiegel

Es geschieht mir daß ich erwache
mich vereinige
und besitze

Das wenige Gute das mir wird
wird mir so langsam

Und wenn es gedauert hat
so unmerkbar ist es erloschen

[G. Ungaretti]

Morgenlandfahrer - 19. Nov, 06:34

@TC: Ich verstehe leider nicht was Du damit sagen willst. Das Gedicht hat bestimmt eine Bedeutung für Dich und Du hast es nicht ohne Grund hier hereingestellt, aber es enthält nichts was ich auf das hier geschreibenen beziehen könnte.
Titania Carthaga - 19. Nov, 14:09

@ML: musst du auch nicht. Und: es passt sehr wohl zum Beitrag von EC (s.o.)
Morgenlandfahrer - 19. Nov, 15:05

Warum versteckst Du Deine wahren Gefühle und Gedanken hinter diesem Gedicht, das ist, was ich nicht verstehe!
Morgenlandfahrer - 19. Nov, 23:56

Für den schroffen Ton brauchst Du Dich nicht zu entschuldigen, damit kann ich sehr wohl umgehen. Es war nur ein Gefühl von mir, daß ich geäußert habe, nicht mehr und nicht weniger, ich wollte nicht gegen Dich schießen, noch mich als Hobbypsychologe betätigen, so etwas ist mir fremd, es war ein reines, menschliches Interesse.
Ob und wer hier Zugang zu dem Gedicht hat, sei mal weiterhin in den Raum gestellt, es sei denn Du möchtest eine Interpretation von mir hören, dann reiche ich sie gerne nach. Ich werde nicht weiter Fragen, da Du sehr deutlich eine Grenze gezogen hast.
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